Die deutsche Biotechnologie-Branche schaffte es im Jahr 2022, knapp 920 Millionen Euro Eigenkapital zu mobilisieren, was zwar weniger als ein Drittel des Rekordwerts aus dem ersten Jahr der Pandemie entspricht, aber dennoch erfreulich ist. Private, sowie börsennotierte Unternehmen, teilten sich diesen Betrag ungefähr zur Hälfte auf.
Trendumfrage des Biotechnologie-Branchenverband BIO Deutschland
Der Biotechnologie-Branchenverband BIO Deutschland führte jährlich eine Trendumfrage durch, bei der die Vorstandsmitglieder und Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer deutlich unzufriedener über die aktuelle Geschäftslage waren als in den Vorjahren. Sogar der Ausblick für das kommende Jahr war schlechter als während der Finanzkrise 2008. Mehr als die Hälfte der Befragten (54 Prozent) sagten, dass die Energiekrise negative Auswirkungen auf ihre Geschäftslage hat. Ein Fünftel oder sogar die Hälfte empfanden starke oder mäßige Auswirkungen der Inflation.
Im Vergleich zu 2021 gaben deutlich weniger Befragte an, Personal aufzubauen, und ihre Bereitschaft, FuE-Investitionen (Forschung und Entwicklung) zu erhöhen, nahm erheblich ab. Obwohl Unternehmenslenker die aktuelle und zukünftige politische Situation der Branche in den vergangenen zwei Jahren als äußerst günstig beurteilten, ist der Index-Wert inzwischen wieder auf den Stand vor Beginn der Pandemie zurückgegangen.
Im Jahr 2021 befanden noch 64 Prozent der Befragten ihre momentane Geschäftslage als optimal, doch 2022 sank diese Zahl auf 40 Prozent. In Betracht auf die zukünftige Geschäftslage gaben 26 Prozent an, eine Steigerung zu erhoffen, was der Hälfte von 2021 entspricht. 39 Prozent planen eine Erweiterung des FuE-Budgets (2021: 57 Prozent). Insgesamt bekundeten jedoch fast 90 Prozent, in Forschung und Entwicklung zu investieren, was die nachhaltige Forschungsintensität der Branche verdeutlicht. Rund 45 Prozent der Unternehmen wünschen sich eine Aufstockung des Personals, etwa ein Drittel weniger als 2021. Nur noch 31 Prozent (2021: 59 Prozent) waren der Meinung, dass das aktuelle politische Klima für die Branche von Vorteil sein könne. Ein ähnliches Bild ergab sich auch bei der Schätzung des zukünftigen politischen Klimas – nur 28 Prozent erwarten eine Verbesserung, 2021 waren es noch 61 Prozent.
Oliver Schacht, der Vorsitzende des Vorstands von BIO Deutschland resümiert: „Unsere Untersuchung deutet darauf hin, dass sich die allgemeine Stimmung im Biotech-Sektor verschlechtert. Dies ist ein beklagenswerter Fakt, der angesichts der globalen Veränderungen im letzten Jahr aber nicht allzu überraschend ist. Die Ursachen dieser sinkenden Zuversicht sind breit gefächert und reichen von Kriegssituationen, Energiekrisen, Preissteigerungen bis hin zu Fachkräftemangel und mangelnden Finanzierungsmöglichkeiten. Des Weiteren haben die kurssenkenden Entwicklungen an der für uns so wichtigen Nasdaq-Technologiebörse zu einer signifikanten Abwertung vieler Biotech-Unternehmen beigetragen. Daher ist es umso wichtiger, dass wir uns nach Kräften darum bemühen, den Biotech-Standort Deutschland nachhaltig zu stärken und unsere technologische Autonomie auch in diesem Segment zu sichern.“
Viola Bronsema, Geschäftsführerin von BIO Deutschland, betonte das enorme Potenzial der Biotechnologie in anderen Bereichen neben der Bekämpfung von Pandemien und Gesundheitsforschung wie nachhaltige industrielle Produktion, Ernährung oder Kreislaufwirtschaft. Sie machte deutlich, dass es nötig ist, zwischen der Anwendung der Schlüsseltechnologie und dem Beitrag der Branche zu unterscheiden. Ohne Chancenkapital, Patentschutz und Kooperationsmöglichkeiten wäre der Biotech-Star BioNTech nicht so schnell so weit gekommen, obwohl die Firma öffentlich gefördert wurde. Viele Politikerinnen und Politiker scheinen die bedeutende Rolle innovativer Biotech-Unternehmen nicht präsent zu haben. Insbesondere im Umgang mit zukünftigen Herausforderungen wäre dies fatal.